Wie kann Unternehmensführung nachhaltiger werden? In unseren Expertentipps beschreiben wir einen der wichtigsten Faktoren dafür, ein überzeugendes Employer Branding. Daneben stellen wir in unserer Zukunft-Reihe in loser Folge ungewöhnliche Ansätze von „Good Governance“ vor, z. B. den CEO-Day. Heute nun geht es um eine Idee, die auf den ersten Blick exotisch wirkt – und dennoch einen wertvollen Denkanstoß liefert: Zeitmanagement im „Pac-Man“-Modus macht aus Unterbrechungen Erfolgspotenziale!
Zeitmanagement – wichtiger denn je
Seit dem Abklingen der Pandemie hat das Arbeitsleben gewaltig Fahrt aufgenommen, selbst dort, wo die Konjunktur schwächelt. „Mehr Geschwindigkeit, mehr Projekte, mehr Komplexität und zu wenig Personal, all das zu stemmen“ ist der mehrheitliche Tenor von rund 1.000 befragten Entscheider*innen im neusten Hays HR-Report1.
So ist es kein Wunder, dass gutes Zeitmanagement heute eine Kerndisziplin im Arbeitsleben ist. Durchdachte Arbeitsabläufe und klug gewählte Pausen sollen optimale Produktivität ermöglichen. Das gilt erst recht für Führungskräfte, die eher selbstbestimmt arbeiten, sich aber auch selbst organisieren müssen.
Einer der größten Zeiträuber sind dabei Unterbrechungen. So hat eine Studie der University of California und der Humboldt-Universität herausgefunden, dass es nach einer Unterbrechung ca. 23 Minuten dauert, bis Arbeitende sich wieder vollständig auf die unterbrochene Aufgabe konzentrieren können2. Selbst geplante und notwendige Aufgabenwechsel ziehen solche Verzögerungen nach sich. Um wenigstens in solchen Fällen den Zeitverlust minimal zu halten, empfehlen Zeitmanagement-Trainer, den Arbeitstag möglichst in zusammenhängende Aufgabenblöcke einzuteilen. Wer schon von sich aus längere Zeit im selben Thema oder Arbeitsmodus bleibt, wird insgesamt weniger Zeit verlieren als jemand, der ständig zwischen ganz unterschiedlichen Themen wechselt.
Unterbrechung ist nicht gleich Unterbrechung
Zu manchen Aufgaben gehören Unterbrechungen einfach dazu. Wenn ein Teamprojekt in eine heiße Phase eintritt, sollte die Teamleitung auch spontan erreichbar sein. Ähnliches gilt beim Onboarding neuer Mitarbeitender. Daneben gibt es jedoch all die ungewollten Unterbrechungen – das klingelnde Telefon, die dringende E‑Mail, die kurze Frage unter der Tür. Wer die zahllosen Tipps und Ratgeber zum Zeitmanagement überfliegt, gewinnt leicht den Eindruck, dass solche Unterbrechungen ausschließlich negative Effekte haben. Der Rat ist meist, sie so weit wie möglich zu unterbinden.
Ein revolutionärer Denkansatz aus der Spieltheorie
Der Philosophieprofessor und Strategieberater Jordan Shapiro geht einen anderen Weg3. Er setzt dabei auf Erkenntnisse aus der Spieltheorie. Wer ohne Unterbrechungen ein Ziel verfolgt, erlebt keine Momente des Innehaltens. Es fehlen Anstöße zu Reflexion und Selbstkontrolle:
Man denkt, man wolle Ruhe haben, aber das stimmt nicht. Ein genauer Blick auf Pac-Man zeigt uns, dass Ablenkungen und Unterbrechungen ein wesentlicher Faktor für Erfolg und Produktivität sind. Pac-Man kann wie ein Lehrstück über das Verhältnis von Zeitmanagement und Glück verstanden werden. [Zitat übersetzt aus dem Englischen]
Pac-Man war 1980 eines der ersten Computerspiele und erfreut sich bis heute großer Beliebtheit. Für die Spieltheorie wichtig ist dabei die Kombination zweier grundlegender Funktionen: Hindernissen (vier Geistern) auszuweichen und Belohnungspunkte zu sammeln. Das Besondere an den vier Geistern ist, dass sie ein unterschiedliches und schwer kalkulierbares Verhalten zeigen.
Was kann Zeitmanagement von Pac-Man lernen?
Shapiro fasst seine Beobachtungen in drei Thesen zusammen:
- Unterbrechungen bedeuten Spontaneität. Man sollte mit ihnen rechnen und sie als einen Anlass sehen, eine gewohnte Routine zu verlassen und über neue Wege nachzudenken.
- Unterbrechungen bringen großartige Ideen hervor. Für Shapiro lassen sich wirklich große Ideen nicht erzwingen. Echte Kreativität kommt für ihn aus dem unkalkulierbaren Flug der Gedanken nach einer Ablenkung.
- Unterbrechungen sind unterschiedlich und haben jeweils eigene Merkmale. Daher können verschiedene Unterbrechungen Denkanstöße in verschiedene Richtungen liefern.
Was Shapiro dabei implizit auch zeigt, ist ein typisch US-amerikanisches, positives Denken – oder anders gesagt: Es bringt uns nichts, Unterbrechungen nur als Ärgernis zu begreifen. Wer sie dagegen von vornherein als Chance versteht, kann einigen Nutzen aus ihnen ziehen.
1 HAYS HR-Report 2022: „Organisationen unter Druck. Zu wenig Zeit, Geld, Personal — wie die Pandemie den Kampf um knappe Ressourcen beeinflusst.“
2 Gloria Mark (Department of Informatics, University of California, Irvine), Daniela Gudith und Ulrich Klocke (Institut für Psychologie, Humboldt Universität, Berlin): „The Cost of Interrupted Work: More Speed and Stress“, Irvine/Berlin 2018
3 Jordan Shapiro: „Against Tranquility! Pac-Man, Time Management, and Distractions.“, Forbes Magazine, 21.11.2012