• Zukunft

Mt der Polarstern
in die Antarktis

15.04.2024
  • Zukunft

Wie einst die Valdivia ist heute die Polarstern der Stolz der deutschen Meeres­forschung. Betrieben vom Alfred-Wegen­er-Insti­tut (AWI) in Bremer­haven, gilt sie als eines der leis­tungs­fähig­sten Polar­forschungss­chiffe weltweit. Seit ihrer Indi­en­st­stel­lung am 9. Dezem­ber 1982 hat sie mehr als 1,88 Millio­nen Seemeilen zurück­gelegt (ca. 3,5 Millio­nen Kilo­me­ter, Stand 2023) und ist dabei an durch­schnit­tlich 305 Tagen im Jahr im Einsatz – aktuell vor der Ostküste der Antark­tis. Gleich­sam als Nach­fahrin „unser­er“ Valdivia steht die Polarstern dies­mal im Mittelpunkt unser­er Reihe „Zukun­ft: Meeres­forschung“ – beispiel­haft auch für die grundle­gende wissenschaftliche Arbeit des AWI zu den Zusam­men­hän­gen zwis­chen Meeren und Klima sowie Ansätzen des Meeresschutzes.

Die FS Polarstern – Flag­gschiff der deutschen Polarforschung

Mit 2.176 Brut­toreg­is­ter­ton­nen (BRT) war die Valdivia zum Ende des 19. Jahrhun­derts ein respek­ta­bles Forschungss­chiff. Im Vergle­ich zur Polarstern wirkt sie jedoch fast zier­lich: Das Flag­gschiff des Alfred-Wegen­er-Insti­tuts und der deutschen Polar­forschung bringt 12.614 BRT auf die Waage. Als Eisbrech­er kann die Polarstern mit ihren 19.200 PS bis zu 1,5 Meter dick­es Eis direkt durch­stoßen; dick­eres Eis wird durch Rammen aufgebrochen.

Zur Crew gehören 44 Besatzungsmit­glieder; daneben bietet sie Raum für bis zu 55 Forschende und tech­nis­ches Person­al. Neun wissenschaftliche Labore ermöglichen Forschun­gen in verschiede­nen Diszi­plinen. Für Außenein­sätze verfügt sie über zwei Helikopter und zahlre­iche Schlauch­boote. Bei der Erfas­sung und Auswer­tung von Mess­dat­en unter­stützt ein leis­tungs­fähiger Bordrech­n­er die Wissenschaftler:innen. Eine wichtige Aufgabe des Schiffs ist auch die Versorgung der deutschen Forschungssta­tio­nen in der Antark­tis, vor allem die ganzjährig beset­zte Neumay­er III.

Von Eiss­chollen und Eisfis­chen – Beispiele aus der Forschungsarbeit 

Eine ihrer ungewöhn­lich­sten „Fahrten“ unter­nahm die Polarstern ab Herb­st 2019. MOSA­iC nannte sich diese Arkti­s­ex­pe­di­tion – Multi­dis­ci­pli­nary drift­ing Obser­va­to­ry for the Study of Arctic Climate. Für ein ganzes Jahr driftete sie einge­froren in einer Eiss­cholle durch das Nord­po­larmeer. Damit wurde auch eine Über­win­terung möglich, die sonst in dieser Region prak­tisch ausgeschlossen ist. So aber konnten Wissenschaftler:innen aus 20 Natio­nen einen vollen Jahresver­lauf in der Arktis beobacht­en, um ihren Einfluss auf das glob­ale Klima bess­er zu verste­hen. MOSA­iC gilt als ein Meilen­stein der Klimaforschung, die Date­naus­beute wertvoll für Generationen.

Im Febru­ar 2021 förderte die wissenschaftliche Besatzung der Polarstern im Süden des antark­tis­chen Weddellmeeres Erstaunlich­es zu Tage: eine Brutkolonie von Eisfis­chen von der Ausdehnung der Insel Malta. Meeres­bi­olo­gen in aller Welt staunten über die Größe dieser Brutkolonie und sehen sie als ein weit­eres Argu­ment, in der Region ein Meer­ess­chutzge­bi­et einzuricht­en. Eisfis­che sind dafür bekan­nt, dass sie ein natür­lich­es Frostschutzmit­tel in ihrem Blut besitzen und fast wie Vögel ihre Eier in Nestern able­gen und bebrüten.

Der Klimaer­wär­mung auf der Spur – die aktuelle Expe­di­tion live miterleben

Ihre jüng­ste Expe­di­tion führte die Polarstern vor die Küste der Ostan­ta­rk­tis. Forschungsziele der Expe­di­tion sind u.a. die Geschichte der Insta­bil­ität des dorti­gen Eiss­childes und die Wech­sel­wirkung mit der Ozeanzirku­la­tion. Damit will man vor allem bess­er einschätzen, mit welchem Tempo der Meer­esspiegel im Zuge der menschengemacht­en glob­alen Erwär­mung ansteigen könnte und wie sich die Fähigkeit des Südozeans verän­dert, Wärme und Kohlen­diox­id (CO2) aufzunehmen. Ein weit­eres Team unter­sucht die Sedi­mentstruk­tur des Meeres­bo­dens. Die Wissenschaftler:innen sehen darin ein Klima-Archiv, mit dessen Hilfe sich Erwär­mungsphasen und ihre Folgen bess­er verste­hen lassen.

Sie können live dabei sein: Mit der Polarstern-App verfol­gen Sie die Route des Schiffs und erhal­ten aktuelle Ergeb­nisse aus erster Hand. In der App gespe­ichert sind übri­gens auch alle früheren Expe­di­tio­nen seit Ende 2021.

Fasz­i­na­tion Forschung – aktiv fördern und miterleben

Der Wert der Forschung mit der Polarstern liegt nicht nur in ihren konkreten Ergeb­nis­sen. Sie zeigt uns auch, wie faszinierend und vielfältig unser Plan­et ist und wie viele Geheimnisse er immer noch birgt. An dieser Fasz­i­na­tion können Sie selb­st mitwirken: durch eine Unter­stützung des gemein­nützi­gen „Vere­ins der Freunde und Förder­er des Alfred-Wegen­er-Insti­tuts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeres­forschung e.V.“. Sein Ziel ist es, das Alfred-Wegen­er-Insti­tut und seine Aktiv­itäten finanziell wie ideell zu fördern. Seine Arbeit erstreckt sich nicht nur auf die Polar- und Meeres­forschung, sondern auch auf wissenschaftliche Vernet­zung, Projek­te für Schulk­lassen und die Förderung junger Wissenschaftler:innen. Auf der Website des Vere­ins find­en Sie eine Über­sicht über alle Aktiv­itäten und Möglichkeit­en der Teilhabe.

Valdivia und das Meer – eine tief­gründi­ge Verbindung

Tief­gang in der Leis­tung, Leiden­schaft fürs Meer – so fanden wir unseren Namen Valdivia. Denn „Valdivia“ hieß das deutsche Forschungss­chiff, das 1898 zu einer system­a­tis­chen Erforschung der Tief­see aufbrach. Geleit­et wurde die Expe­di­tion von dem Zoolo­gen Carl Chun (1852 — 1914) aus Höchst, heute Frank­furt am Main. Ausgerüstet mit den damals modern­sten Forschung­sein­rich­tun­gen, konnte die Valdivia Meer­estiefen bis zu sechs Kilo­me­tern und mehr ausloten. Fern­er besaß sie von Carl Chun entwick­elte Spezial­net­ze, mit denen sie Flora und Fauna in fast jeder Tiefe sammeln und zur Unter­suchung an die Ober­fläche brin­gen konnte.

 

(Bildquelle: FS Polarstern auf dem Weg zur Neumay­er-Station III in die Antark­tis. Copy­right by Folke Mehrten­s/Al­fred-Wegen­er-Insti­tut (CC-BY 4.0)