Kunst und Kultur können das Image eines Stadtviertels prägen – und damit auch dessen Immobilienwerte. Doch wie genau wirkt sich kulturelles Engagement auf die Attraktivität eines Standorts aus?
Der Einfluss einzelner Werke oder Einrichtungen lässt sich kaum quantifizieren. Dennoch ist die Wirkung deutlich, wie wir Ihnen in diesem Valdivia Newsroom-Beitrag zeigen. Vor allem der soziale Wert wird durch die Nähe zu Kunst und Kultur gestärkt: Die Beliebtheit als Wohngebiet, Arbeitsplatz, Shopping- oder Freizeitzone steigt und damit auch das Gemeinschaftsgefühl und das Sicherheitsempfinden.
Die Anziehungskraft zeitgenössischer Kunst
Zeitgenössische Kunst im öffentlichen Raum erweitert den kulturellen Zugang, stärkt soziale Bindungen und fördert das gesellschaftliche Bewusstsein. Das zeigt eine Studie zum Highline Park in New York City und dem Superkilen Park in Kopenhagen1, die wir hier stellvertretend für viele Untersuchungen mit gleichen oder ähnlichen Ergebnissen nennen. Kunstprojekte und andere kulturelle Aktivitäten ziehen Bewohner:innen wie Tourist:innen an und stärken damit auch die wirtschaftliche Belebung. Damit einhergehen kann ein erheblicher Wertzuwachs der umliegenden Immobilien: Die Highline ließ von 2003 bis 2011 die Immobilienwerte um 103 % ansteigen; rund um den Superkilen stiegen die Immobilienwerte um etwa 50 %.

(Im High Line Park, New York)
Kunst im Quartier – die Stiftung Berliner Leben
Kunst in die alltägliche Lebenswelt der Menschen zu bringen, ist einer der Schwerpunkte der Stiftung Berliner Leben2. Ein Beispiel ist das URBAN NATION Museum mitten im Schöneberger Kiez, das mit Urban Art einen niederschwelligen Zugang zur Kunst bietet.
(URBAN NATION Museum, Berlin)
Es wirkt als „Motor für die soziale und kulturelle Entwicklung seines Quartiers“ und lädt neben professionellen Künstler:innen auch Menschen aus der Nachbarschaft zum aktiven Mitmachen und Gestalten ein. Damit fokussiert sich das Museum nicht nur auf ästhetische und kreative Aspekte, sondern es fördert auch die Identifikation mit dem Umfeld und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Urban Art – auch in kleineren Städten wirksam
Die Bedeutung von Urban Art für Quartiere schildert auch André Kazmierski von der Stadtbau Aschaffenburg in einem ausführlichen Beitrag für den immobilienmanager3: Graffiti, Wandgemälde, Skulpturen oder temporäre Installationen – sie alle geben dem Quartier „ein Gesicht“, stärken die Identifikation, das Gemeinschafts- und Sicherheitsgefühl. Urban Art zieht Besucher:innen an und lässt auch umliegende Geschäfte und Cafés profitieren. Damit steigen der soziale wie der ökonomische Wert der Lage und damit auch die Vermarktbarkeit. Kazmierski dazu: „Besonders in aufstrebenden Stadtteilen kann Urban Art als Instrument zur Imagepflege genutzt werden, um das Viertel als kulturell interessant und lebendig darzustellen.“
Quartiere als Galerie
Einen Schritt weiter gehen Stadt- und Quartiersplaner, wenn sie ein ganzes Viertel der Kunst widmen. Ein prominentes Beispiel ist die bereits erwähnte New Yorker Highline, wo eine aufgelassene Hochbahnstrecke in eine Natur- und Kunstinstallation verwandelt wurde. Die Umgestaltung löste einen Immobilienboom im umliegenden Stadtviertel Chelsea aus; Luxuswohnungen, Boutique-Hotels und exklusive Einzelhändler siedelten sich an.
Ähnliche Effekte kann man im DUMBO in Brooklyn4 oder rund um die Murals in Miami, Philadelphia und San Diego beobachten.
(Kunstinstallation am DUMBO, New York City)
Ob künstlerische Graffiti oder Skulpturenpark – Kunst hat die Kraft, die Welt um sie herum zu verwandeln. Und sie muss dazu nicht von New Yorker Dimensionen sein: So haben engagierte Kunstfreunde 2007 in Bad Vilbel eine kleine Anlage entlang eines Bachlaufs in eine lebendige Galerie verwandelt und zeigen dort unter dem Titel „Massenheimer Auenkunst“ in Ausstellungszyklen von ca. zwei Jahren Plastiken und Installationen regionaler Künstler:innen5.
Utopiastadt Wuppertal
Urbane Kunst und Kultur spielen eine wichtige Rolle beim Erfolg des Projekts Utopiastadt in Wuppertal6. 2011 startete das Projekt im historischen Bahnhof Mirke als „Labor für Entwicklung & Kreativität“ mit der Perspektive einer dauerhaften Verbindung aus Kunst, Kultur und Gesellschaft. In den folgenden acht Jahren wuchs die Utopiastadt von einem 200 m2 großen Coworking-Space auf knapp 40.000 m2. Es entstanden ein Hacker- und Makerspace, eine Gemeinschaftswerkstatt, Urban Gardening Flächen, ein Fahr- und Lastenradverleih, Märkte, Festivals und viele weitere Elemente heutiger urbaner Kultur. Vor allem das starke Engagement der Menschen aus dem umliegenden Viertel belegt die Strahlkraft und damit auch das Vermarktungspotenzial eines solchen Projekts.
Godsbanen Aarhus
Auch in Aarhus, der zweitgrößten Stadt Dänemarks, wurde ein alter Güterbahnhof – dänisch: Godsbanen – in ein Kunst- und Kulturzentrum verwandelt. Seit 2012 ist der Godsbanen nicht nur ein Magnet für Einheimische, Besucher:innen und Kunstschaffende. Das Projekt hat auch für eine deutliche Wertsteigerung der Immobilien im umliegenden Quartier gesorgt7: Die Wohnungspreise stiegen im Verhältnis zur Gesamtstadt um 2,3 bis 3 Prozent oder 27 bis 29 Tsd. Euro pro Wohnung.
Fazit
Urbane Kultur ist außerordentlich vielseitig und anpassungsfähig. Im Bereich der bildenden Kunst etwa muss sie nicht auf groß dimensionierte Wandbilder und repräsentative Skulpturen beschränkt bleiben. Selbst relativ kleine Räume eignen sich für Ausstellungen lokaler Künstler:innen oder Pop-up-Galerien. Eventflächen und ‑Räume können darstellenden Künsten wie Musik, Tanz, Theater, Kabarett oder Varieté ganz wörtlich eine Bühne bieten. Anziehend wirken auch Mitmach-Angebote wie im Godsbanen in Aarhus oder dem Berliner URBAN NATION Museum, bei denen Künstler:innen mit der Nachbarschaft gemeinsam Kunstwerke realisieren. Selbst relativ kleine Projekte können also Flächen oder Räume für Kunst und Kultur schaffen und deren Anziehungskraft nutzen.
Ein finanzieller Mehrwert ist häufig die Folge, aber nicht zwingend garantiert – zu vielfältig sind die Einflüsse auf Immobilienpreise. Außerdem bewirken allzu deutliche Preissteigerungen leicht eine Gentrifizierung, die von Stadtplanern und Politik nicht immer gern gesehen wird3. Ganz sicher aber schafft die Nachbarschaft zu Kunst und Kultur für Immobilien ein ideales Vermarktungsargument – und das nicht nur für Wohngebiete und Freizeitzonen: Auch Einkaufs- und Bürolagen profitieren, wenn Kundschaft und Berufstätige im Umfeld Anregung und Erlebnisse finden.
Quellen
- Christin Erdmann-Goldoni: “Contemporary Art in Public Spaces: Forms of Expression, Impact, and Challenges”, European Public & Social Innovation Review EPSIR, Ausgabe 8, Oktober 2024
- Constanze von Marlin: „Stiftung Berliner Leben: Verantwortung für lebendige Quartiere“ in Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft, Ausgabe 2/2025
- André Kazmierski (Stadtbau Aschaffenburg): „Urban Art: Wie Kunst Quartiere verändert“, in immobilienmanager, Ausgabe vom 24.01.25
- „Down Under the Manhattan Bridge Overpass“ (DUMBO), Beispiele aus „Art and Real Estate: How Public Art Installations are Boosting Property Values“, Trusted Property Advisors TPA, Oktober 2024
- „Massenheimer Auenkunst“, Uferpark am Erlenbach, Mühlstraße, 61118 Bad Vilbel
- „Beispielhafte Projekte der Quartiersentwicklung – Neue Materialien zur Planungskultur“, Institut für Städtebau und Wohnungswesen (ISW), Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL), August 2024
- Matthiesen, L., Lautrup, M., Panduro, T.: “From industry to center for arts and culture: the impact of industrial heritage transformation on neighborhood house prices,” Frontiers in Sustainable Cities, 9. Juni 2025
(Bildquellen: istockphotos.com, dreamstime.com, High Line Park NYC, Urban Nation Museum Berlin)