Vom Gedankenspiel zur Bewerbung: Wie erreichen Sie auf der Suche nach Fachkräften mögliche Interessenten, die noch unentschlossen sind?
Tatsächlich sind „passiv Suchende“ ein deutlich größeres Reservoir als das der aktiven Bewerber:innen1. Um diese Gruppe geht es in der 3. Folge unserer Recruiting-Reihe wollen wir Ihnen im Valdivia Newsroom einige, teils auch ungewöhnliche Wege zeigen, diese Gruppe anzusprechen und das Interesse an Ihrem Unternehmen bis zu einer aktiven Bewerbung wachzuhalten.
Hohe Wechselbereitschaft, geringe Initiative
Das HR-Marktforschungsunternehmen Trendence hat 2024 in einer Langzeitstudie untersucht, wie es um Wechselbereitschaft und Suchverhalten deutscher Arbeitnehmer:innen steht1:
- 85 % der Akademiker:innen und 80 % der Fachkräfte sind wechselbereit; aktiv suchen jedoch nur jeweils 14 %.
- Passiv Suchende, die sich als ansprechbar bezeichnen, bilden eine weit größere Gruppe:
- 36 % Akademiker:innen
- 34 % der Fachkräfte
- Eine weitere Gruppe ist weniger entschlossen und sucht nur gelegentlich:
- 34 % Akademiker:innen
- 32 % der Fachkräfte
Hintergrund ist oft, dass viele Beschäftigte zwar über einen Wechsel nachdenken, mit ihrer aktuellen Stelle aber zunächst noch zufrieden sind – eine Haltung, der auch wir bei Valdivia immer wieder begegnen. Manchmal stehen auch familiäre Gründe oder der Wunsch, ein Projekt abzuschließen, einem sofortigen Wechsel entgegen. Dennoch lohnt es sich, das Interesse passiv Suchender auf Ihr Unternehmen zu lenken und sich als nächster Arbeitgeber zu platzieren.
Reichweite durch Soziale Medien
Den größten Impact bei passiv Suchenden bieten die Sozialen Medien. Bei Employer Marketing denkt man da meist an LinkedIn und Xing. Hier meinen wir jedoch in erster Linie eher privat genutzte Plattformen wie Facebook, Instagram, YouTube und TikTok. Die – kostenlose – organische Reichweite dort wird heute allerdings kaum genügen. Mit bezahlten Inhalten stärken Sie Ihre Bekanntheit und können zudem einzelne Bewerbergruppen zielgenau ansprechen.
Soziale Medien sind ideal, um durch Beiträge und Interaktion Aufmerksamkeit zu gewinnen und im Gedächtnis zu bleiben … vorausgesetzt, Ihr Konzept stimmt. Ein solches Konzept muss „von beiden Enden“ gedacht werden. Sie brauchen Inhalte, die zu Ihrer Arbeitgebermarke passen, zugleich aber auch den Gewohnheiten und Vorlieben der Nutzer:innen gerecht werden. Um hier mit Employer Marketing professionell aufzutreten, sollten Sie zunächst eine gute Startposition einnehmen:
- Entwickeln Sie genaue Vorstellungen von Ihren Zielgruppen; unterschiedliche Zielgruppen sprechen Sie am besten mit jeweils eigenen Accounts und Inhalten an.
- Stellen Sie einen abwechslungsreichen Themen- bzw. Redaktionsplan auf.
- Setzen Sie Moderatoren ein, die im Notfall schnell reagieren können – auch außerhalb Ihrer Geschäftszeiten.
Erfolg mit Inhalten von Mitarbeitenden
Bewährte Inhalte sind vor allem Unterhaltsames, Originelles und praktische Hilfen. Um für zukünftige Mitarbeitende authentisch und attraktiv zu wirken, ist zudem „Employee Generated Content“ (EGC) sehr gefragt. Vor allem jüngere potenzielle Bewerber:innen interessieren sich für Beiträge, die von Mitarbeitenden erstellt wurden1. Besonders beliebt sind Videoclips (bei 45 %), Karriere- und Unternehmensinfos (bei 26 %), persönliche Berichte (bei 22 %) sowie persönlicher Support und Feedback in Kommentaren (bei 19 %).
Bei älteren Nutzer:innen liegen die persönlichen Berichte mit 33 % vorn, Videoclips folgen mit 28 %. Die Beliebtheit anderer EGC-Formate verteilt sich ähnlich wie bei den Jüngeren. Wichtig sind dabei in jedem Fall Authentizität und Humor; so lassen sich auch kritische Themen gut verpacken, deren völliges Fehlen von den Nutzer:innen leicht als Schönfärberei ausgelegt wird.
Neue Wege zu mehr Sichtbarkeit
- Attraktiver für Frauen werden
In der Bau- und Immobilienbranche sind Frauen oft noch unterrepräsentiert2. Wie können Sie dieses Potenzial erschließen? Eine weltweite Feldstudie der Personalberatung MOWOMIND weist darauf hin, dass 67 % mehr Bewerberinnen reagieren, wenn die Arbeitgeber-Kommunikation Frauen explizit anspricht und einbezieht – etwa in Abbildungen, Sprachstil und Beispielstorys3.
- Innovativer dank „Cultural Add“
Richten Sie Ihre Suche nicht nur auf einen Cultural Fit, sondern auch auf einen „Cultural Add“3. Kolleg:innen mit unterschiedlichem Hintergrund schaffen eine Atmosphäre, in der neue Perspektiven, Erfahrungen und Fähigkeiten willkommen sind; Ihr Unternehmen wird innovativer und zugleich resilienter.
- Junge Kräfte spielend gewinnen
Auf die Bedeutung von Games und E‑Sports als Werbeumfeld hatten wir bereits in der letzten Folge unserer Recruiting-Reihe hingewiesen.Neben In-Game-Advertising können Sie auch über Twitch Ihren Radius erweitern – etwa durch ein Sponsoring oder Mitarbeitende, die als Gamer:innen aktiv sind. Viele Games ermöglichen zudem Team-Teilnahme, zu denen Sie auch passiv Suchende einladen können.
- Reddit, „das andere“ Soziale Medium
Die Foren-Plattform wächst – auch bei uns: Ca. 16 Millionen deutsche Nutzer:innen sind dort aktuell unterwegs4, und oft solche, die andere Soziale Medien eher meiden. Neben günstigen Anzeigenpreisen bietet Reddit mit seinen Themenforen eine sehr präzise Auswahl von Zielgruppen. Für eigene Beiträge sollte man sich über die Gepflogenheiten der Plattform informieren. Doch dann ist es leicht, dort auch mit Content zu punkten – zum Beispiel durch substanzielle Diskussionsbeiträge oder die beliebten Memes.
Die Beispiele zeigen: Gerade passiv Suchende lassen sich auch abseits gewohnter Pfade ansprechen. Dazu empfiehlt sich eine Strategie, die zu Zielgruppe und Umfeld passt und auch den weiteren Prozess bis zum aktiven Kontakt berücksichtigt.
Die nächsten Schritte im Funnel
Der markanteste Unterschied zwischen aktiv und passiv Suchenden ist die Zeitspanne zwischen dem ersten Kontakt und dem Entschluss, sich auf eine konkrete Stelle zu bewerben. Bei passiv Suchenden ist es daher wichtig, sie nicht nur neugierig zu machen, sondern das Interesse schrittweise zu stärken bzw. über längere Zeit wachzuhalten. Neben den kontinuierlichen Beiträgen in Sozialen Medien werden in dieser Phase zwei Instrumente wichtig:
- Bestätigung durch Social Proof
Dies meint in erster Linie Arbeitgeber-Bewertungen auf Plattformen wie kununu und Glassdoor sowie Eindrücke aus dem EGC. Um hier negativen Bewertungen zu begegnen, sollten Sie sich Arbeitgeber offen zeigen, Fehler einräumen und ohne Eigenlob auf positive Äußerungen verweisen, so dass der Gesamteindruck ausgewogener wirkt.
- Ins Gespräch kommen mit einem Karriere-Newsletter
Die Inhalte können ähnlich denen in den Sozialen Medien aufgebaut sein, eventuell mit einigen exklusiven Themen oder früheren Veröffentlichungen. Darüber hinaus lässt sich ein Newsletter nach Fachinteresse und Reifegrad personalisieren und er ermöglicht Feedback. Laut einer Bewerbungs-Studie sind Befragungen z. B. zur Wahrnehmung des Unternehmens oder Konzepten für den Stellenzuschnitt eine der erfolgreichsten Methoden, Interessenten an ein Unternehmen zu binden5.
Klassische Jobmedien als Kontaktchance
Über Jobbörsen, Stellenangebote auf Ihrer Website oder Job-Events wollen Sie in erster Linie aktiv interessierte Bewerber:innen erreichen. Doch denken Sie auch an passiv Suchende, die sich dort aus Zufall oder Neugier auf Sie aufmerksam werden. Bieten Sie solchen Interessenten per Link oder QR-Code zusätzliche Möglichkeiten an, sich unverbindlich über die Arbeit bei Ihnen zu informieren, einen Karriere-Newsletter zu abonnieren oder in Sozialen Medien speziellen Arbeitgeber-Informationen zu folgen.
Mit nachhaltigem Recruiting vorsorgen
Der demografische Wandel lehrt uns, dass selbst ein aktuell gut aufgestelltes Unternehmen rasch in Schieflage geraten kann, wenn wichtige Fachkräfte ausscheiden und nicht ersetzt werden können. Ein strategisches Employer Branding und die Ansprache passiv Suchender sind daher heute wichtige Bausteine einer nachhaltigen Existenzsicherung. Ganz im Sinn polymathischer Führung erfüllen Sie mit nachhaltigem Recruiting also mehr als eine HR-Aufgabe – ein Thema, dem wir uns im Valdivia Newsroom im kommenden Jahr verstärkt widmen wollen.
Quellen
1) „Trendence HR Monitor 2024“, Trendence (Funke Mediengruppe), Januar 2025
2) Frauenanteil im Baugewerbe: 14 % – Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V., März 2025; Frauen in der Immobilienwirtschaft: 11 bzw. 13 % in der 1. und 2. Führungsebene, 36 bis 45 % auf unteren Ebenen – Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V., März 2022
3) „Future Work im Recruiting: Wie Unternehmen weltweit Talente gewinnen und binden“, veröffentlicht in „New Work Hacks – 50 Inspirationen für modernes und innovatives Arbeiten“, MOWOMIND Modern Work Enabling, 2024
4) “Reddit: Heimlich zum Erfolg“, absatzwirtschaft, Oktober 2024
5) „Mystery Bewerbungsprojekt“, Untersuchung von Bewerbungsprozessen bei 120 Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Studie von Talent Centric et. al., Januar 2024
(Bildquelle: dreamstime.com)