In dieser Ausgabe unseres Valdivia Expertentipps wollen wir über eine weitere Marketingtechnik berichten, die ihren Ursprung in der Immobilienbranche hat: das „Farming“. Der Begriff stammt aus den USA mit ihrem riesigen Eigenheim-Markt. Doch inzwischen ist diese Art der Marktbearbeitung nicht nur in Deutschland angekommen. Sie hat in unseren dicht bebauten Ballungszentren auch eine neue, wichtige Funktion gewonnen – ein höchst spannendes Thema, wie wir bei Valdivia finden.
Das Erfolgsgeheimnis: Präsenz vor Ort
Farming in seiner ursprünglichen Form ist intensives, regionales Marketing durch ein ortsansässiges Maklerbüro. Die Farm ist die Region – im Idealfall ein Mix aus Wohn- und Gewerbegebieten. Das Erfolgsgeheimnis eines guten Farmers ist die genaue Kenntnis seines Einzugsbereichs. Er kennt viele Bewohner persönlich und nimmt Teil am Leben vor Ort. Farming umfasst daher weit mehr als Standardwerbung wie etwa Flyer in Briefkästen, einen Newsletter für Anwohner oder Hinweistafeln an vermittelten Objekten. Der Makler engagiert sich auch in lokalen Vereinen, bringt sich bei Bürgerbegehren ein und ist bei lokalen Festen persönlich mit Snacks, Getränken und einem Beratungszelt dabei.
Farming ist also eine Form der Werbung, die neben Geld auch einigen Zeitaufwand erfordert. Dafür ist der Streuverlust minimal: Wenn es dem Makler gelingt, sich als guter Nachbar in seiner Farmregion zu etablieren, wird er bei Verkäufen und Käufen vor Ort wenig Konkurrenz zu fürchten haben. Die Techniken systematischen Farmings haben jedoch in den letzten Jahren gerade für Deutschland eine weitere, wichtige Bedeutung gewonnen, nämlich für die Erschließung kleinerer oder größerer Quartiere.
Auf gute Nachbarschaft: Farming 2.0
Weshalb sollten sich aber deutsche Quartiersentwickler heute an der – sehr amerikanischen – Idee des Farming orientieren? Der Grund ist unsere Siedlungsstruktur. Gerade in den stark gefragten Ballungsräumen sind freiliegende Flächen selten. Die meisten neuen Quartiere müssen inmitten bestehender Nachbarschaften gebaut werden. Und da regt sich häufig Widerstand. Natürlich kann Marketing hier keine kluge Raumplanung oder gar die Politik ersetzen. Doch es liegt in aller Interesse, das Projekt in überschaubarer Zeit zu realisieren.
Farming 2.0 bedeutet nun, auch die nähere Umgebung einzubeziehen. Denn oft ist es einfach das Gefühl des Übergangenwerdens, wenn sich einem geplanten Projekt Einsprüche und Initiativen entgegenstellen. Das primäre Ziel von Farming 2.0 ist es daher, den Bewohnern der Nachbarschaft die Vorteile des geplanten Quartiers schmackhaft zu machen – nicht „von außen“ oder „von oben herab“, sondern begleitet von einem Engagement vor Ort. Die Menschen wollen sich ernstgenommen fühlen. Wichtigste Grundlagen hierfür sind eine offene Kommunikation ebenso wie die Einladung, Wünsche, Vorschläge und auch Kritik oder Befürchtungen zu äußern:
- Einen Einstieg bieten Beiträge in der Lokalpresse, eine Flyerverteilung und ein Informationsbüro vor Ort, in dem Besucher*innen einfach auf einen Espresso vorbeischauen können.
- Online sind neben der Projektwebsite die Sozialen Medien wichtig – auf Facebook als Seite und Gruppe sowie Präsenz in Nachbarschaftsnetzwerken wie Nebenan.de und Nextdoor.de.
- Über diese Medien können auch Informations- und Diskussionsveranstaltungen organisiert werden, sobald diese wieder möglich sind.
- Ähnlich wie in der klassischen Variante gehört auch beim Farming 2.0 persönliches Engagement dazu, z. B. durch die Teilnahme an und Unterstützung von Nachbarschaftsfesten.
Im Idealfall wird der Quartiersmanager zur Anlaufstelle für die gesamte Nachbarschaft und das neue Quartier noch vor dem ersten Spatenstich zu einem sozialen Mittelpunkt. Auf jeden Fall aber nimmt ein offenes, gesprächsbereites Farming 2.0 all jenen den Wind aus den Segeln, die dem Projekt aus reinem Oppositionsgeist Steine in den Weg legen wollen.