Benefits für Mitarbeitende sind ein zentrales Thema beim Employer Branding. Dennoch wird über die Förderung der mentalen Gesundheit nicht gern gesprochen. Es gibt sogar einem Begriff dafür: „Well-Hushing“ – das Verschweigen entsprechender Angebote. Dahinter steht die Angst, mit einem immer noch als peinlich geltenden Thema in Verbindung gebracht zu werden. Mit diesem Beitrag unserer Reihe Valdivia Expertentipps wollen wir Ihnen Mut machen, das Thema für Ihr Employer Branding aufzugreifen – sowohl praktisch als auch in der Kommunikation nach innen und außen.
Die akute Bedeutung: Zahlen und Fakten
- Schon seit einigen Jahren schlagen die Krankenkassen Alarm: Verstärkt durch die Corona-Epidemie, nehmen psychische Erkrankungen bei Erwerbstätigen deutlich zu. 2021 waren sie der Grund für ca. 19 % aller Krankentage1; 2022 standen z. B. depressive Episoden bereits an vierter Stelle als Ursache für Arbeitsausfälle2.
- Auch Studienergebnisse des Immobilieninvestment-Spezialisten Catella zum bevorzugten Arbeitsort verweisen indirekt auf den Faktor psychischer Belastung3: 82 % der Befragten wünschen sich eine Kombination aus Homeoffice-Tagen und dem gewohnten, sozialen Miteinander im Büro; nur 2 % würden sich als reine Homeoffice-Beschäftige wohlfühlen.
- Die Folgen sind jedoch nicht nur Krankentage. Laut einer McKinsey-Studie4 kündigen Mitarbeitende mit mentalen Problemen mit vierfach höherer Wahrscheinlichkeit ihren Job.
Zugleich bestätigt die McKinsey-Studie die Well-Hushing-Problematik: Fast 90 % aller Arbeitgeber bieten bereits Wohlfühlprogramme an. Doch offenbar greifen sie nicht – sei es, weil der Zuschnitt nicht stimmt, sei es, weil sie in den Belegschaften nicht wahrgenommen werden oder Vorbehalte wecken.
Der erste Schritt: Ursachen abbauen
Auf Ursachen und damit auf Ansätze zur Verbesserung der Belastungssituation verweist ein Aufsatz zu Gefährdungen in Ingenieurberufen5, die auch stellvertretend für andere Sparten stehen können:
- zu knappe Zeitvorgaben, besonders wenn Termindruck zusätzlich die parallele Bearbeitung verschiedener Aufgaben auslöst,
- zu wenig Spielraum in der Gestaltung der eigenen Arbeit,
- organisatorische Faktoren wie Umstrukturierungen, erzwungene Arbeitsunterbrechungen, Ausfall von Pausen und ganz allgemein eine mangelhafte Arbeitsorganisation sowie ein inkohärenter Führungsstil.
Ein Abbau solcher Stressfaktoren verbessert nicht nur die Produktivität, das Betriebsklima und die Glaubwürdigkeit des Employer Branding. Als Arbeitgeber folgen Sie damit auch der gesetzlich vorgeschriebenen Fürsorgepflicht und senken Haftungsrisiken.
Mentale Gesundheitsförderung: Ideen für die Praxis
- Vorträge und Workshops
Belastungen lassen sich am besten abbauen, wenn sie allen im Unternehmen bewusst und geeignete Abhilfen bekannt sind. Ein erster praktischer Schritt dazu können betriebsinterne Veranstaltungen sein, idealerweise geleitet von externen Spezialisten. Mögliche Themen sind z. B. das persönliche Zeitmanagement, Entspannungstechniken, Burnout- und Boreout-Vorbeugung sowie das Erkennen von Anzeichen für eine Depression.
- Ruheraum
Wo es möglich ist, ist ein eigener, passend eingerichteter Raum zur Entspannung die ideale Ergänzung Ihrer Pausenangebote. Hier kann sich zurückziehen, wer einfach mal für eine kurze Zeit abschalten möchte, meditieren oder – über Kopfhörer – beruhigenden Klängen lauschen.
- Going-Dark
Viel Stress entsteht im Arbeitsalltag – und erst recht in der Freizeit – durch die Anforderung, ständig erreichbar zu sein. Einige Unternehmen haben dies bereits erkannt und blockieren für Mitarbeitende aktiv den Zugang zu geschäftlichen E‑Mails in der Freizeit. Einen Schritt weiter geht das „Going-Dark“ am Arbeitsplatz: Zeiten, in denen der oder die Mitarbeitende nicht erreichbar ist, keine Anrufe bekommen oder Mails erhalten und sich ungestört auf wichtige Aufgaben konzentrieren kann.
Staatliche Förderung: Steuern sparen für die Gesundheit
Die gute Nachricht zum Schluss kommt aus dem Gesetzbuch: „Bis zu 600 Euro kann ein Arbeitgeber pro Mitarbeiter und Jahr steuerfrei für (…) Leistungen zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken und zur Förderung der Gesundheit erbringen.“ (§ 3 Nr. 34 EstG) Voraussetzung ist, dass ein zertifizierter Anbieter gewählt wird oder die Maßnahmen dem Leitfaden Prävention des GKV-Spitzenverbands entsprechen. Ebenfalls – völlig – steuerfrei sind „Aufwendungen zur Gesundheitsförderung aus überwiegend eigenbetrieblichem Interesse“ wie zum Beispiel die Einrichtung des oben erwähnten Ruheraums.
Die Förderung der mentalen Gesundheit am Arbeitsplatz sollte also kein Tabu sein. Es besteht dafür nicht nur ein breiter Bedarf, sondern sie ist auch wirtschaftlich sinnvoll. Und sogar der Staat hilft mit, Ihr Profil als Arbeitgeber und den Erfolg Ihres Unternehmens durch ein gesundes Arbeitsumfeld langfristig zu stärken.
(Bildquelle: istockphoto)