Wie authentisch ist mein Employer Branding? Diese Kernfrage wird in Unternehmen immer noch zu selten mit der gebotenen Priorität behandelt. Manchmal, weil ihre Wirkung unterschätzt wird. Strategien und Tipps dazu hatten wir im Januar in einem Beitrag in unserem Valdivia Newsroom vorgestellt. Manchmal scheinen jedoch die Herausforderungen des Betriebsalltags nicht so recht zu einem attraktiven Arbeitgeberimage zu passen. Für diesen Fall möchten wir einen Denkansatz vorstellen, der auf Offenheit, Ehrlichkeit und Kommunikation auf Augenhöhe setzt.
Ehrlichkeit ist die Basis für Erfolg
Gewiss – Employer Branding ist ein Stück weit Werbung. Die darf und sollte die positiven Merkmale Ihres Unternehmens als Arbeitgeber auch betonen. Da wächst die Versuchung, im gleichen Zuge Härten und Herausforderungen klein zu reden oder gar völlig auszuklammern. Doch zu viel „Zuckerguss“ funktioniert im Employer Branding nicht:
- Mitarbeitende haben täglich Kontakt zur betrieblichen Realität. Wenn dann das kommunizierte Selbstbild nicht zu den realen Erfahrungen passt, führt dies leicht zu Demotivation oder sogar negativen Reaktionen – vom wenig schmeichelhafte Kununu-Eintrag in manchen Fällen sogar bis zur Kündigung.
- Noch gravierender wirkt sich Unaufrichtigkeit bei Bewerber:innen aus. Dank Probezeit sind sie im Handumdrehen wieder weg; der aufwändige Such- und Onboarding-Prozess war umsonst.
Eine andere Form von Ehrlichkeit ist Offenheit bzw. Transparenz. So nennt eine Capgemini-Studie1 Kernforderungen, die leider nur zu je 32 % erfüllt werden. Mitarbeitende wollen verstehen, was von ihnen erwartet wird: Wie passt meine Arbeit ins Gesamtkonzept? Was trage ich zu welchen Zielen des Unternehmens bei?
Kommunikation ohne rosa Watte
Manche Unternehmen versuchen, auch unvermeidliche Härten durch Wohlfühlfaktoren auszugleichen – und schießen dabei über das Ziel hinaus. Davor warnt Prof. Armin Trost, der an der Fachhochschule Furtwangen Human Resources Management unterrichtet. In einem Beitrag für den Harvard Business Manager2 beschreibt er das Risiko, Motivation zu übertreiben und Mitarbeitende zu sehr zu verwöhnen. Doch er lehnt Boni und andere Wohltaten nicht grundsätzlich ab. Vor allem die Dosis macht in seinen Augen das Gift: Ein Zuviel des Guten kann Mitarbeitende dazu verleiten, ihre professionelle Haltung und ihr Verantwortungsbewusstsein aufzugeben. Sie ertragen keine Misserfolge oder Frustrationen mehr und erwarten immer weitere Zuwendungen.
Auch dabei geht es um Authentizität. Unternehmen tun gut daran, Mitarbeitende als Erwachsene zu behandeln, die man nicht in rosa Watte packen muss. Unvermeidliche Härten sind ihnen bekannt und werden akzeptiert, wenn Hintergründe und Perspektiven transparent sind. Die grundsätzliche Rollenverteilung der Arbeitswelt muss weder im Employer Branding noch im gelebten Arbeitsalltag verleugnet werden: Vorgesetzte legen Ziele, Aufgaben und Werte fest, Mitarbeitende setzen sie um.
Frische Töne für Ihr Employer Branding
Trost will damit keineswegs zurück zur Kommandowirtschaft alten Stils. Vielmehr empfiehlt er eine respektvolle Kommunikation auf Augenhöhe. Authentizität bedeutet demnach, dass Härten und Herausforderungen von beiden Seiten offen angesprochen werden – in einem konstruktiven, gleichberechtigten Austausch. Die Mitarbeitenden sollten das Zutrauen spüren, das der Arbeitgeber ihnen entgegenbringt … auch das Zutrauen, Realitäten ungeschönt zu ertragen.
Was bei Trost für Konflikte gilt, hilft also dabei, notwendige und unvermeidbare Belastungen anzusprechen – auch im Employer Branding. Dies muss nicht gleich bis zur Selbstentblößung gehen. Oft reicht es bereits, Beschönigungen und platte Formeln zu vermeiden. Statt nebulös eine „teamorientierte Arbeitsweise“ anzupreisen, reicht zum Beispiel ein klarer Satz wie „wir sind ein starkes Team mit guter Stimmung, aber wenn es drauf ankommt, hängen sich alle richtig rein“.
Offen, ehrlich, transparent: Mit diesem Ansatz können Sie gerade bei engagierten Mitarbeitenden und Bewerber:innen Punkte machen — und im Employer Branding zugleich viel frischere Töne anschlagen als Ihre Wettbewerber.
- „Employee Experience Survey“, Capgemini Research Institute, April/Mai 2022
- „Hört auf, eure Mitarbeiter zu verhätscheln! – 7 Irrtümer über Mitarbeiterbindung“, Prof. Dr. Armin Trost (Fachhochschule Furtwangen), Harvard Business Manager 7/2022
(Bildquelle: istockphotos.com)