Wie einst die Valdivia ist heute die Polarstern der Stolz der deutschen Meeresforschung. Betrieben vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven, gilt sie als eines der leistungsfähigsten Polarforschungsschiffe weltweit. Seit ihrer Indienststellung am 9. Dezember 1982 hat sie mehr als 1,88 Millionen Seemeilen zurückgelegt (ca. 3,5 Millionen Kilometer, Stand 2023) und ist dabei an durchschnittlich 305 Tagen im Jahr im Einsatz – aktuell vor der Ostküste der Antarktis. Gleichsam als Nachfahrin „unserer“ Valdivia steht die Polarstern diesmal im Mittelpunkt unserer Reihe „Zukunft: Meeresforschung“ – beispielhaft auch für die grundlegende wissenschaftliche Arbeit des AWI zu den Zusammenhängen zwischen Meeren und Klima sowie Ansätzen des Meeresschutzes.
Die FS Polarstern – Flaggschiff der deutschen Polarforschung
Mit 2.176 Bruttoregistertonnen (BRT) war die Valdivia zum Ende des 19. Jahrhunderts ein respektables Forschungsschiff. Im Vergleich zur Polarstern wirkt sie jedoch fast zierlich: Das Flaggschiff des Alfred-Wegener-Instituts und der deutschen Polarforschung bringt 12.614 BRT auf die Waage. Als Eisbrecher kann die Polarstern mit ihren 19.200 PS bis zu 1,5 Meter dickes Eis direkt durchstoßen; dickeres Eis wird durch Rammen aufgebrochen.
Zur Crew gehören 44 Besatzungsmitglieder; daneben bietet sie Raum für bis zu 55 Forschende und technisches Personal. Neun wissenschaftliche Labore ermöglichen Forschungen in verschiedenen Disziplinen. Für Außeneinsätze verfügt sie über zwei Helikopter und zahlreiche Schlauchboote. Bei der Erfassung und Auswertung von Messdaten unterstützt ein leistungsfähiger Bordrechner die Wissenschaftler:innen. Eine wichtige Aufgabe des Schiffs ist auch die Versorgung der deutschen Forschungsstationen in der Antarktis, vor allem die ganzjährig besetzte Neumayer III.
Von Eisschollen und Eisfischen – Beispiele aus der Forschungsarbeit
Eine ihrer ungewöhnlichsten „Fahrten“ unternahm die Polarstern ab Herbst 2019. MOSAiC nannte sich diese Arktisexpedition – Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate. Für ein ganzes Jahr driftete sie eingefroren in einer Eisscholle durch das Nordpolarmeer. Damit wurde auch eine Überwinterung möglich, die sonst in dieser Region praktisch ausgeschlossen ist. So aber konnten Wissenschaftler:innen aus 20 Nationen einen vollen Jahresverlauf in der Arktis beobachten, um ihren Einfluss auf das globale Klima besser zu verstehen. MOSAiC gilt als ein Meilenstein der Klimaforschung, die Datenausbeute wertvoll für Generationen.
Im Februar 2021 förderte die wissenschaftliche Besatzung der Polarstern im Süden des antarktischen Weddellmeeres Erstaunliches zu Tage: eine Brutkolonie von Eisfischen von der Ausdehnung der Insel Malta. Meeresbiologen in aller Welt staunten über die Größe dieser Brutkolonie und sehen sie als ein weiteres Argument, in der Region ein Meeresschutzgebiet einzurichten. Eisfische sind dafür bekannt, dass sie ein natürliches Frostschutzmittel in ihrem Blut besitzen und fast wie Vögel ihre Eier in Nestern ablegen und bebrüten.
Der Klimaerwärmung auf der Spur – die aktuelle Expedition live miterleben
Ihre jüngste Expedition führte die Polarstern vor die Küste der Ostantarktis. Forschungsziele der Expedition sind u.a. die Geschichte der Instabilität des dortigen Eisschildes und die Wechselwirkung mit der Ozeanzirkulation. Damit will man vor allem besser einschätzen, mit welchem Tempo der Meeresspiegel im Zuge der menschengemachten globalen Erwärmung ansteigen könnte und wie sich die Fähigkeit des Südozeans verändert, Wärme und Kohlendioxid (CO2) aufzunehmen. Ein weiteres Team untersucht die Sedimentstruktur des Meeresbodens. Die Wissenschaftler:innen sehen darin ein Klima-Archiv, mit dessen Hilfe sich Erwärmungsphasen und ihre Folgen besser verstehen lassen.
Sie können live dabei sein: Mit der Polarstern-App verfolgen Sie die Route des Schiffs und erhalten aktuelle Ergebnisse aus erster Hand. In der App gespeichert sind übrigens auch alle früheren Expeditionen seit Ende 2021.
Faszination Forschung – aktiv fördern und miterleben
Der Wert der Forschung mit der Polarstern liegt nicht nur in ihren konkreten Ergebnissen. Sie zeigt uns auch, wie faszinierend und vielfältig unser Planet ist und wie viele Geheimnisse er immer noch birgt. An dieser Faszination können Sie selbst mitwirken: durch eine Unterstützung des gemeinnützigen „Vereins der Freunde und Förderer des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung e.V.“. Sein Ziel ist es, das Alfred-Wegener-Institut und seine Aktivitäten finanziell wie ideell zu fördern. Seine Arbeit erstreckt sich nicht nur auf die Polar- und Meeresforschung, sondern auch auf wissenschaftliche Vernetzung, Projekte für Schulklassen und die Förderung junger Wissenschaftler:innen. Auf der Website des Vereins finden Sie eine Übersicht über alle Aktivitäten und Möglichkeiten der Teilhabe.
Valdivia und das Meer – eine tiefgründige Verbindung
Tiefgang in der Leistung, Leidenschaft fürs Meer – so fanden wir unseren Namen Valdivia. Denn „Valdivia“ hieß das deutsche Forschungsschiff, das 1898 zu einer systematischen Erforschung der Tiefsee aufbrach. Geleitet wurde die Expedition von dem Zoologen Carl Chun (1852 — 1914) aus Höchst, heute Frankfurt am Main. Ausgerüstet mit den damals modernsten Forschungseinrichtungen, konnte die Valdivia Meerestiefen bis zu sechs Kilometern und mehr ausloten. Ferner besaß sie von Carl Chun entwickelte Spezialnetze, mit denen sie Flora und Fauna in fast jeder Tiefe sammeln und zur Untersuchung an die Oberfläche bringen konnte.
(Bildquelle: FS Polarstern auf dem Weg zur Neumayer-Station III in die Antarktis. Copyright by Folke Mehrtens/Alfred-Wegener-Institut (CC-BY 4.0)